Ukuhamba Kukubona. Travelling opens a window to the world

Posted 24 April by admin Trainingslager 0  Comments

Als Profitriathletin sehe ich es als besonderes Privileg, durch meinen Job die Welt bereisen zu können. Der Sport hat mich bisher an viele verschiedene Orte dieser Welt gebracht und ich habe dadurch unglaublich viel gesehen und erlebt...

Diesmal hieß das Abenteuer und zu entdeckende Land „Südafrika“.

Aber warum Südafrika? Nachdem ich seit nun acht Jahren viel (Trainings-)Zeit in meiner 2.Heimat dem Playitas auf Fuerteventura verbringe, entdecke ich hin und wieder gerne mal wieder etwas Neues. Das 1. Trainingslager der Saison ist geprägt von vielen Grundlageneinheiten und eignet sich daher um etwas Neues zu entdecken.

Letztes Jahr habe ich so gemeinsam mit meiner Trainingskollegin Anja Knapp Thailand bereist und die Trainingsstätten um das Thanyapura entdeckt. Diesmal hat Anja die Reiseleitung übernommen und Südafrika ausgewählt, da sie bereits mehrmals mit der DTU dort war und gute Erfahrungen machte. Stellenbosch war allerdings auch für sie neu, aber vom „Hören-Sagen“ ist das kleine Studentenstädtchen sehr sport- und radfahrerfreundlich.

Warm-Welcome to South-Africa

Von Frankfurt Airport über Johannesburg landeten wir nach 18h Reisezeit in Kapstadt. Von hier aus ging es mit dem Shuttle in das 40 Minuten entfernte Stellenbosch. Unseren kleinen Temperatur- (Delta 50 Grad) und Kulturschock (kilometerlange Townships, sowie ziemlich viel Plastikmüll) überwanden wir schnell, als wir besonders herzlich von unserem Vermieter unseres 2-Zimmer-Apartments empfangen wurden. Zwar schien uns die vergitterten Fenster und Türen unserer Wohnung anfangs ein wenig befremdlich, aber in Südafrika ist das eben so.

Kaum angekommen, schnappten wir schnell unsere Schwimmsachen um unsere erste Einheit zu erledigen. Das ist eben Profi-Sport. ;-) Nur 5 Laufminuten entfernt befand sich die Universität von Stellenbosch mit vielzähligen Einrichtungen, wie zwei Schwimmbecken, einem riesen Gym, sowie unzählige Rugbyfelder, die sich hervorragend als 400m-Grasbahnen zum Laufen eigneten. Wir wurden also Mitglied und zählten nun auch zu den „Maties“, wie sich die Studenten dort nennen. Von früh bis spät wimmelte es am Campus von jungen Sporttreibenden. Ich fühlte mich ein wenig, wie in einem High-School Movie. Die Atmosphäre ist/war wirklich einzigartig und motivierte Anja und mich täglich in unseren eigenen Einheiten. Nicht nur auf dem Campus, sondern eigentlich in der gesamten Stadt Stellenbosch wimmelt es von jungen und sportlichen Menschen.

Stellenbosch – Eikestad – Stadt der Eichen

Die pulsierende Kleinstadt ist geprägt von vielen kleinen und liebevoll eingerichteten Cafes, Bars und Restaurants. Die Menschen genießen hier mittags ihren Lunch, den Cafe am späteren Nachmittag oder man trifft sich eben abends zum Dinner oder auf ein gemütliches Glas Wein.

Die Stadt ist umgeben von Naturschutzgebieten und den Cape Winelands, wo die besten Weine der Welt angebaut werden. Der Anblick dieser Weinfarmen ist wirklich romantisch und ein Wine-Tasting auf einer Farm quasi obligatorisch. Bevor wir allerdings das Touri-Programm und die Freizeitmöglichkeiten studierten, galt es allerdings das Training optimal zu gestalten...und zugegeben, das war bei der 2.Disziplin- dem Radfahren ein wenig herausfordernd...Später dann vor allem für Michi- Anja’s Freund... ;-) Die deutsche Profitriathletin Kathrin Walter, die seit 8 Jahren in und um Stellenbosch lebt, half uns ein wenig um uns besser zu orientieren und zurecht zu finden. Sie empfahl uns geeignete und vor allem sichere Radstrecken und begleitete uns hin und wieder. Kathrin lehrte uns den „360-Grad-Blick“ ebenso, wie dass „fast jeder hier eine Statistik ist“ – so lautet ein landestypischer Scherz. Denn fast alle Einwohner wurden mindestens einmal überfallen und somit ist fast jeder Teil der Kriminalstatistik. Anja und ich wollten aber nicht unbedingt zu dieser Statistik gehören, daher gab es uns ab sofort nur im Doppelpack und ihr Freund Michi musste uns bei fast allen Einheiten „Begleitschutz“ geben. Obwohl er eigentlich Läufer ist, schwang er sich fast immer mit auf’s Rad und gab uns ein sicheres Gefühl in der Einheit. Als Dankeschön wurde er auch abends von uns beiden fein – oder besser gesund bekocht. (Quinoa, Leinsamen & Co.)

Das Radfahren ist landschaftlich ein Traum! Oft haben wir uns unsere MTBs herbei gewünscht um die Weinberge zu erobern und noch näher an der Natur sein zu können. Dies hätte auch den Vorteil von einer noch besseren Bereifung und weniger Platten mit sich gebracht. ;-) Zwar hatte ich auf Empfehlung von meinem Partner Continental schon die pannensichersten „Four Seasons“ aufgezogen, aber gegen Dornen und Eisensplitter halfen auch die nichts. Unser Spitzenreiter waren 5 Platten! Nach einer Dornenpassage auf der Standspur hatte Anja vorne und hinten platt und ich „nur“ vorne. Mit insgesamt 2 Ersatzschläuchen und natürlich keinem Flickzeug, war das natürlich nicht so lustig. Aber wir hatten Glück im Unglück und nur 2km entfernt befand sich ein Bike Shop. Daher wurde die Einheit um eine längere Laufeinheit (gezwungenermaßen) erweitert. Wir erlebten dort unseren ersten Kaufrausch in Sachen „Fahrradschläuche“. Nach dieser (Tor-)Tour „bewaffneten“ wir uns zu jeder weiteren Ausfahrt mit mindestens 4-5 Ersatzschläuchen und änderten unseren Trainingsschwerpunkt für den Rest des Camps- auf Swim & Run.

Die Laufbedingungen waren zudem ideal. Auch wenn das 400m Laufstadion „gerade“ (naja seit Monaten) in „afrikanischer Geschwindigkeit“ renoviert wurden, gab es unzählig viele Grasbahnen bzw. Hockeyfelder, die sich perfekt zum Intervalltraining eigneten. Kathrin lud uns auch in ihre Laufgruppe ein, die sich zweimal pro Woche traf und von dem erfahrenen Laufcoach Ernie geleitet wurde. Ernie ist eine Mischung aus: einem einfühlsamen und fürsorgliche Laufcoach und gleichzeitig ein totaler Zahlenfreak und Genie. Er hat viele Weltmeistertitel und Olympiamedaillengewinner hervorgebracht – auch wenn er diesen Erfolg und Umstand einfach als „Glück, dass er im Leben hatte“, bezeichnete. Wir wurden in der Gruppe mit offenen Armen empfangen, dieses „warm African welcome“ ist wirklich einzigartig und besonders schön. Bereits nach der ersten gemeinsamen Laufeinheit waren wir fester Bestandteil der Gruppe. Besonders beim Beobachten der schwarzen Läufer in der Gruppe mussten wir neidlos feststellen, dass das was wir machen, nichts mit Laufen oder Ästhetik zu tun hat... sondern eher mit Stolpern und Vorwärtskämpfen. Wir schmolzen beim Anblick der Leichtfüßigkeit und Dynamik dahin und nahmen das was wir sahen als große Motivation. Sehr aufmerksam befolgten wir alle Worte und Zahlen von Ernie.

Die drei Wochen Südafrika vergingen wie im Flug und um ehrlich zu sein fiel uns der Abschied aufgrund der Menschen, die wir getroffen und lieb gewonnen hatten, ein wenig schwer. Vor allem aber auch die Auflösung unserer eingespielten 3er-WG, indem jeder seine feste Aufgabe hatte (Michi war der Mann für’s Spülen, da Anja auf keinen Fall Spülhände haben wollte und ihr „Totschlagargument“, „dass sie auch zu Hause immer zuständig für das Geschirrtrocknen ist“ mussten wir zählen lassen. Ich war die Küchenchefin– oder besser die „Mutti“ am Kochtopf- eben auch wie zu Hause bei meinen 1,5 Männern, 2 Katzen und Hund. Alle 3 waren wir immer bemüht, dass sich während der häuslichen Arbeit keiner „im Leerlauf“ befand und die Arbeit gerecht verteilt wurde.

Auch so waren wir ein grandioses Team – wir gingen jeden Abend vor dem Schlafen gemeinsam auf Moskitojagd. Während Anja und Michi die Schokolade tafelweise und Cola literweise verschlangen, landeten die Kalorien irgendwie auf meinem Kalorienkonto und Hüften. Dafür war ich der Windbreaker beim Radfahren und übernahm das Steuer im Auto während Anja und Michi die Pace beim Laufen machten. Wir tüftelten gemeinsam an einem minimalen Wasserverbrauch, um den vorherrschenden Wassermangel nicht noch durch unseren Aufenthalt zu verschlimmern – Das Spülwasser diente der Toilettenspülung und während wir duschten, wuschen wir die Sportkleidung unter uns gleich mit aus.

Auf 50qm Wohnfläche bleibt auch nicht viel Platz für Intimitäten oder Privates, aber dafür hat man auch viel Zeit um sich auszutauschen, gegenseitig zu inspirieren und von einander abzuschauen und zu lernen. Auch wenn Anja noch auf der olympischen Distanz zu Hause ist, können wir Dank guter Planung unseres gemeinsamen Trainers Dan Lorang, fast alles zusammen machen. Und wenn ich als Dieselmotor vor jeder Einheit ein mehrminütiges Warm-up oder einen Morgenkaffee brauche um mich auf Betriebstemperatur zu bringen, nutzt Anja eben diese Zeit zur Regeneration, wie eben länger Ausschlafen.

So wurden durch 3 Wochen Südafrika Anja und ich von Triathlonfreundinnen zu Triathlonschwestern. Wir haben 3 Wochen sehr erfolgreich und ernsthaft trainiert, jedoch nicht eine Stunde ohne Spaß oder ohne einem Lachen. Am lautesten haben wir dabei immer über uns selbst und unser Profidasein mit all unseren Tick, Tricks und Alltagsroutinen gelacht...

Ich kehrte zurück mit einem Koffer voller Biltong (Trockenfleisch: Lieblingsessen meiner zwei kleinen Nichten) und 2 Flaschen hochwertigstem „Van de Mey“ Wein (Danke an die Weinfarmerin Katrin Walter und unserem German Touriguide), sowie jeder Menge Afrika-Erfahrungen, die weit über den Sport hinausgingen...

Südafrika ist ein Land voller Gegensätze...es teilt sich in schwarz & weiß und arm & reich. In Afrika werden Fremde mit offenen Armen empfangen und das Wenige, was viele nur besitzen auch noch wie selbstverständlich geteilt. Viele afrikanische Menschen haben keine Uhren, aber sie haben Zeit. Bei uns in Deutschland ist das genau andersherum...

Ich versuche ein klein wenig afrikanische Sonne, und vor allem afrikanische Zeit mit nach Hause zu nehmen und sage, DANKE Südafrika.

Travelling opens a window to the world. Ukuhamba Kukubona.

PS: Es blieben ein paar mehr oder weniger wichtige Dinge in Südafrika ungeklärt: Warum steckten alle dänischen Nationalkaderschwimmerinnen, die mit uns im Becken trainierten, ihren Badeanzug in die (Popo-)Ritze? Und warum gibt es auf der Welt diese ungleiche Verteilung? Warum habe gerade ich das Glück in solch einem Wohlstand leben zu dürfen?

Geschrieben von Anja Beranek – genehmigt von Anja Knapp :-)